Dienstag, 18. Januar 2011

Restrisiko


Ah, da ist er ja wieder, der deutsche Fernseh-Eventmovie, hier bei Sat.1. Diesmal nicht als Zweiteiler würde sich "Restrisiko“ gerne hinter "Das China Syndrom“ oder "Silkwood" einreihen. Leider gelingt das nicht ganz. Noch nicht mal ansatzweise.

Aber wie im Film blenden wir vom Ende mal zum Anfang um. Ulrike Folkerts spielt hier die Sicherheitschefin eines KKW, filmdramatisch legitimiert natürlich geschieden, zwei Kinder, die lieber beim Journalisten-Vater und dessen schwangerer Lebensgefährtin sein wollen. Und dann ist da noch der Marketingheinz, der dem KKW-Betreiber ein besseres Image verpassen soll. Der bezahlt dies – natürlich erst, nachdem er auf die „richtige“ Seite gezogen wurde – gemäß filmischer Hybris mit seinem Leben. Man weiß aber nicht genau, warum, hat er sich doch der gleichen Strahlung ausgesetzt wie unsere Hauptdarstellerin. Ich weiß außerdem nicht, wie man sich mit einer Atemmaske sinnvoll vor Strahlung schützen möchte, die in ihrer Stärke ja für ein Massensterben verantwortlich sein soll.

Ein Transformatorenbrand (Krümmel lässt grüßen) soll vor der Atomaufsichtsbehörde verschwiegen werden, außerdem wird der alte Reaktor gerade modernisiert. Der Leitende Ingenieur ist absolut dagegen und wird dann natürlich von der bösen Atomlobby ermordet. Man stelle sich vor, die Pfeifen von Vattenfall, e.on oder EnBW würden Profikiller engagieren. Ersterer mag sich nicht unbedingt als Betreiber eines Kernkraftwerkes empfehlen, aber wir wollen doch bei einem sensiblen Thema gerne bei ernstzunehmenden Möglichkeiten bleiben.

Jetzt hat der Skriptautor eines Dramas über ein KKW das gleiche Problem wie der eines Flugzeugkatastrophenfilms: er muss ein überaus sicheres, mit mehrfachen Redundanzsystemen ausgerüstetes technisches System überlisten. Das geschieht hier, in dem die Einfassringe des Reaktors zu groß waren und dann einfach per Hydraulikpresse in die richtige Form gebracht wurden. Das führte natürlich schon zu einem vertuschten Störfall in den Achtzigern, mit dem dann auch gleich die Kinderleukämiehäufung in der Elbmarsch erklärt wird. Man könnte auch nach der echten Ursache suchen, aber sei's drum, ist ja alles nur Fiktion.

Man fragt sich schon, wie so etwas dann von den zuständigen Behörden abgenommen worden sein soll, als ob Reaktoren nicht unter extremer Aufsicht stünden, die Radioaktivität innerhalb und außerhalb des Containments, der Betonkuppel und der Umgebung nicht strengstens überwacht würde. Außerdem fordert Folkerts Charakter, alle Reaktoren des gleichen Typs sofort abzustellen. Hm, gab’s da überall die gleiche Schlamperei? Man weiß es nicht.

Warum man nicht, wenn man auf etwas aufmerksam machen möchte, z.B. keine Geschichte rund um die Endlagerung macht, hat natürlich dramaturgische Gründe. Ein explodierendes Kraftwerk macht eben deutlich mehr Eindruck. Als Freund von Katastrophenfilmen wird mir selbige übrigens auch noch vorenthalten. Es heißt nach der Umrüstung und Leistungssteigerung lediglich, dass sich die Moderatorenstäbe nicht mehr einfahren ließen. Kein Wort, warum das so wäre.

Nur zur Info: gerät der Reaktor außer Kontrolle, fallen die Stäbe automatisch in ihre Halterungen, da muss niemand etwas tun. Steigt die Temperatur weiterhin, wird das Containment geflutet. Danach hat man dann natürlich eine Betonkuppel voller stark radioaktivem Wasser inklusive nicht mehr funktionstüchtigem Reaktor, aber keine Kernschmelze. Oder gar Explosion.

Die Dokumentation nach dem Film habe ich nur in Ausschnitten gesehen. Da wird aber die Behauptung aufgestellt und unwidersprochen hingenommen, dass 2020 Deutschland komplett auf erneuerbare Energien umgestellt sein könnte. Das ist leider nicht richtig, denn bis heute gibt es nicht ansatzweise ein System zur Stromspeicherung im notwendigen Maßstab. Wir werden also noch eine ganze Weile auf konventionelle Stromerzeugung angewiesen sein.

Auch dieser Film hat mich nicht davon überzeugt, KKW würden eine so große Gefahr darstellen, dass man sie sofort abschalten müsste. Filmisch überzeugt er mit seinen beiden zeitlichen parallelen Handlungssträngen nicht. Ebenso mit einer Menge Details, für die mir hier jetzt Zeit und Lust fehlen.

Die Doku endet mit einem Blick auf eine Kunstinstallation, auf der auf Betongrabsteinen die Namen aller Abgeordneten des Bundestags stehen. Sie soll sie daran erinnern, die richtige Entscheidung zu treffen. Ich finde es ja bemerkenswert, Drohungen auszustrahlen.

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